Kannst du dir vorstellen, wie der Wald dein Immunsystem stärken kann und wie die Pflanzenstoffe der Bäume deine Immunzellen beeinflussen?
In diesem Artikel möchte ich auf die gesundheitsförderlichen Potenziale des Waldes eingehen und dir genau erklären, wie du das Waldbaden für dich nutzen kannst.
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Was ist Waldbaden?
Waldbaden beschreibt einen achtsamen Aufenthalt im Wald, bei dem die Waldatmosphäre bewusst mit allen Sinnen wahrgenommen wird, um das Wohlbefinden und die Gesundheit zu fördern.
Was im ersten Moment vielleicht nach einem Esoterik-Trend klingt, ist in Japan bereits ein fester Bestandteil im Gesundheitssystem. Dort gibt es einen eigenen Forschungszweig der Waldmedizin, welcher sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen des sogenannten Shinrin Yoku beschäftigt. Der japanische Begriff “Shinrin Yoku” wird mit “Baden in der Waldatmosphäre”, kurz gesagt, mit “Waldbaden” übersetzt.
Im Wald sind wir belastenden Umweltfaktoren wie Lärm, Luftverschmutzung oder intensiver UV-Strahlung im besten Fall kaum ausgesetzt. Es herrscht dort eine Art Schonklima, was sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken kann.
Forschungsergebnisse aus Japan legen nahe, dass wir das Waldbaden für präventive, therapeutische und auch für rehabilitative Zwecke nutzen können. Deshalb ist es auch so wichtig, zu verstehen, wie der Wald auf uns wirkt.
Wie kann Waldbaden das Immunsystem stärken?
Kennst du diesen typischen Geruch des Waldes? Im Wald haben wir quasi einen Cocktail an Gerüchen, die auf Pflanzenstoffe zurückzuführen sind. Die Bäume senden bestimmte Stoffe aus, um sich z. B. vor Schädlingen zu schützen oder um bestimmte Insekten anzulocken. So scheinen die Bäume sogar untereinander über diese Pflanzenstoffe miteinander zu kommunizieren, um sich beispielsweise vor Schädlingen zu warnen. Bei diesem Informationsaustausch spielen Terpene eine besondere Rolle, nicht nur für die Bäume oder Tiere, sondern auch für uns Menschen.
Die Bedeutung der Terpene und die Kraft des Shinrin-Yoku
Terpene stellen eine Stoffgruppe von ca. 8.000 chemischen Verbindungen dar, die in vielen verschiedenen Pflanzen vorkommen.
Diese Stoffe bestehen aus kleinen, gasförmigen Molekülen, die in besonders hoher Konzentration in der Waldluft umherschwirren. Durch verschiedene Untersuchungen stellte man fest, dass auch wir Menschen in der Lage sind, diese Terpene über die Lunge und auch über die Haut aufzunehmen.
Mit den Auswirkungen der Terpene auf das Immunsystem beschäftigt sich vorrangig das Forscherteam von Qing Li, einem japanischen Medizin Professor. In einer Review von 2022 fasst Qing Li einige seiner bisherigen Studienergebnisse zusammen.Ich möchte dir nun gerne ein paar seiner beeindruckenden Erkenntnisse vorstellen.
Eine Studie von 2008 belegt, dass ein eintägiger Waldaufenthalt die Aktivität des Immunsystems signifikant erhöhen kann, indem die Anzahl unserer natürlichen Killerzellen im Blut um ca. 40 % steigt und deren Aktivität um etwa 50 %. Dieser Effekt ist noch sieben Tage lang im Blut nachweisbar.
Aber auch wenn du keinen ganzen Tag im Wald verbringen kannst, hat die Aufnahme der Terpene dennoch einen stärkenden Effekt auf dein Immunsystem und auch Entzündungsmarker im Blut können schon nach zwei Stunden im Wald verringert werden.
Weitere Studienergebnisse geben zudem Hinweise darauf, dass bestimmte Proteine, die gegen Krebszellen vorgehen (wie bspw. Perforin, Granzyme oder Granulysin), nach einem Waldbesuch vermehrt gebildet werden. Diese können auch bei der Abwehr von anderen Erregern nützlich sein und so das Immunsystem ebenfalls stärken.
Fügte man der Luft von Hotelzimmern Terpenen zu, so konnten hier die gleichen Effekte bei den Probanden beobachtet werden, ohne dass sich die Personen tatsächlich im Wald aufhielten.
Durch die Aufnahme von Terpenen können zudem der Blutdruck und die Herzfrequenz gesenkt werden, ebenso werden Stresshormone wie Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin verringert. Diese Effekte sind allerdings auch durch verschiedene psychologische Faktoren zu erklären.
Psychologische Effekte des Waldbadens
Im Alltag sind wir vielen verschiedenen Stressfaktoren (Stressoren) ausgesetzt und vielleicht kennst du auch, dass die ständige Erreichbarkeit einen enormen Druck aufbauen kann.
Den Wald können wir hingegen als neutralen Naturraum betrachten, der es uns ermöglicht, “einfach mal weg” zu sein. In der Natur darf jeder so sein wie er ist, ohne bewertet zu werden und ohne selbst zu bewerten.
Eine besonders große Rolle spielt beim Waldbaden die Entschleunigung und die Achtsamkeit, das heißt, dass wir versuchen, den Wald mit allen Sinnen wahrzunehmen. Dabei wird der Parasympathikus (der Erholungsnerv) aktiviert, während im Alltag durch verschiedene Stressoren meist der Sympathikus aktiver ist und zur Ausschüttung von Stresshormonen führt.
Es scheint zudem ein Grundbedürfnis des Menschen zu sein, sich mit der Natur verbinden zu wollen. Die Biophilie beschreibt dabei die Liebe zum Leben bzw. die Liebe zum Lebendigen. Hat der Mensch die Möglichkeit, sich in der Natur aufzuhalten, so kann das Wohlbefinden gesteigert werden.
Auch die verschiedenen grünen Farbtöne des Waldes können nachweislich Stresshormone reduzieren und Entspannungsreaktionen fördern.
All diese positiven Effekte können wir nun ganz gezielt für uns selbst nutzen.
So kannst du das Waldbaden für dich nutzen: Eine einfache Schritt-für-Schritt-Anleitung
- Such dir ein geeignetes Waldstück und bereite dich vor
Achte darauf, dass du im Wald keine Straße hörst und du nicht von Spaziergängern gestört wirst. Mischwälder scheinen einen besonders hohen Entspannungseffekt hervorzurufen. Der Vorteil ist hier auch, dass wir viele verschiedene Terpene von unterschiedlichen Pflanzen aufnehmen können. Die Konzentration an Terpenen ist im Sommer und nach einem Sommerregen am höchsten. Hier ist es auch wichtig, die Wetterlage zu beachten und einen Waldbesuch bei Sturm oder Gewitter zu meiden. Kleide dich bequem und dem Wetter entsprechend, packe dir etwas zu trinken und evtl. auch einen Snack ein.
- Fühl dich sicher
Ob du alleine in den Wald gehst oder lieber in Begleitung, ist ganz dir selbst überlassen. Wichtig ist, dass du dich wohl und sicher fühlst. Wenn du das Waldbaden lieber erst einmal in einer Gruppe versuchen möchtest, so kannst du dich in deiner Stadt oder im Internet über Angebote zum Waldbaden informieren.
- Lass dir Zeit
Bei Shinrin Yoku geht es nicht darum, eine möglichst große Strecke zurückzulegen oder möglichst viel zu sehen. Es geht hier um das Verweilen im Wald. Du kannst erst etwas laufen und wenn du eine besonders schöne Stelle entdeckst, kannst du dich dort hinsetzen, Atemübungen machen, die Umgebung achtsam wahrnehmen oder auch meditieren.
- Sinneswahrnehmungen
Überlege dir ganz bewusst, wie viele verschiedene Farbtöne du sehen kannst, welche Gerüche du wahrnimmst, wie sich die Naturmaterialien anfühlen und was du alles hören kannst. Du kannst die Aufnahme der Terpene über eine bewusste tiefe Atmung fördern. Nimm dir auch hier Zeit und “bade” in diesem schönen Moment.
- Verabschiedung vom Wald
Bevor du den Wald verlässt, kannst du dir überlegen, was du gerne von dieser Erfahrung mitnehmen möchtest. Vielleicht ist es die Ruhe oder auch die Stärke, die der Wald ausstrahlt. Nimm dir einen Moment Zeit, um deine Erfahrung im Wald zu reflektieren und verabschiede dich dann mit dem Wissen, dass du jeder Zeit an diesen Ort der Ruhe zurückkehren kannst.
Wie viel Zeit du im Wald verbringst, ist dir überlassen. Je länger das Waldbaden ist, desto größer scheinen die Effekte zu sein. Nimm dir am besten 1-2 Stunden Zeit und beobachte, wie es dir dabei geht.
Mit jedem Waldbaden entdeckst du vielleicht neue Dinge oder Rituale, die dir gut tun. All das ist ein Lernprozess, es gibt kein richtig oder falsch, das Ziel ist einfach nur zu entspannen und abzuschalten.
Bei akuten Erkrankungen solltest du vorab einen Arzt oder Therapeuten aufsuchen.
Stand der Forschung und Kritik
Abschließend können wir festhalten, dass in Japan viel Forschung zum Shinrin Yoku geschieht. Eine Einschränkung ist hier, dass viele der genannten Studienergebnisse aus demselben Forscherteam von Qing Li stammen und deshalb das Kriterium der Objektivität eingeschränkt ist.
Außerdem wurden viele Untersuchungen an einer sehr kleinen, nicht repräsentativen Gruppe durchgeführt, weshalb die Ergebnisse nur bedingt auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar sind.
In Deutschland ist der Stand der Forschung zum Waldbaden noch relativ jung, aber es gibt bereits einige Studien, die die positiven Effekte auf die Gesundheit und das Wohlbefinden belegen.
Fazit
Auch wenn weiterhin Forschungsbedarf besteht, kann jeder das Waldbaden für sich nutzen und von der Kraft der Terpene profitieren. In Deutschland gibt es bereits ausgeschriebene Heilwälder, die auch zur Waldtherapie genutzt werden. Es gibt vermehrt Angebote zum Waldbaden und das Interesse hieran wächst.
Versuche es einfach mal und probiere es aus und ich hoffe, dass dir diese Erfahrung gut tun wird und du von diesem Artikel profitieren kannst.